until my heart freezes sober

Wir sitzen auf der Bank; ab und zu werfe ich dir einen Blick zu, behutsam, unverstellt. Die Bartstoppeln auf deinen Wangen; ich denke, wie es sich wohl anfühlen würde - Aber ich lasse den Gedanken nicht zu. Das geht jetzt nicht; es wäre Wahnsinn, nach allem was war.

Wir sind an der Brüstung entlang geschlendert, haben herunter gesehen auf die Stadt, und den Fluss, und die Touristen, die eifrig knipsend an uns vorbeihuschten. Ich habe die Bank ausgesucht; es ist die einzige, neben der kein Mülleimer steht. Ich habe mich gesetzt, während du noch die Ruine nach einem Zeichen absuchtest, vergeblich Zeit schindend, den Augenblick herauszögernd. Jetzt sind wir einander noch gut gestellt, jetzt ist es zwar verdammt seltsam, und unbehaglich, und unsicher, aber -

Du setzt dich; ich nehme ganz deutlich den Abstand wahr, den du zu mir, zu meinem Körper einhältst. Der Abstand ist zu groß für das, was ich empfinde. Er ist zu groß für das, was ich von dir hören will; und ich ahne schon, ahne, dass bei aller Blödelei und allem Gescherze, das eben noch die Stimmung aufgelockert hat, nun nichts Gutes folgen wird.
  
Du sitzt da und kannst mir nicht in die Augen sehen. Du scharrst mit den Füßen im Kies; ich frage irgendetwas, und du sagst, Ich weiß nicht. Wieder und wieder, Ich weiß nicht, und das bohrt sich in mich hinein, und ich lasse es zu, ohne die Miene zu verziehen. Er amüsiert mich beinahe, mein Schmerz – Was hatte ich erwartet?

Es bestärkt mich nur in dem, was ich ohnehin schon wusste. Er würde sie nicht verlassen; nicht von jetzt auf gleich und wegen einer Nacht. Allen Gedichten und allen Worten zum Trotz; das wird er nicht tun, mein Poet.

Und ich vergesse für einen Moment, dass es mir eigentlich nur ums Prinzip geht; dass es mir weh tut, dass er das offensichtlich Richtige einfach nicht sieht, nicht sehen will, und dass ich ihm nichts anzubieten habe. Ich vergesse es, und bin in diesem Moment nicht mehr als eine Frau, die zurückgewiesen wird. Zurückgewiesen und enttäuscht; und ich sitze da, wie betäubt, und lausche in mich hinein, und da schreit es in mir. Es schreit danach, von hier zu verschwinden; weg von ihm, von seinem Sich-Winden, seiner Feigheit. Weg von seinen flüchtigen Seitenblicken, schüchtern, verlegen. Schuldbewusst.

Einen Moment lang bleibe ich noch sitzen und widerstehe dem Drang, einfach aufzustehen und zu gehen. Dann entscheide ich mich bewusst dafür. „Okay“, sage ich, und greife nach meiner Tasche. Hey, sagt er noch hilflos, als er meine Absicht erkennt; Nicht..., aber da bin ich schon weg, bin schon losgelaufen, quer über die Grünfläche.

Und als mir klar wird, dass er mir nicht hinterher stürmt, will ich in Tränen ausbrechen. Ich will wilde Tränen weinen vor Wut, vor Wut und Schmerz, vor Enttäuschung. Und da merke ich, wie sich etwas vor die Tränen schiebt; und es ist nicht der Stolz, der mich hat aufstehen und gehen lassen. Es ist eine Spur Erleichterung. Eine Prise Selbstachtung, die zu keimen beginnt, und mit jedem Schritt ein kleines Stückchen wächst. 

Mit jedem Schritt weg von ihm, und für mich selbst.


5 comments:

  1. ich lese dich schon eine ganze Weile. Hammer, wie du schreibst, Respekt!
    Liebe Grüße,
    Suse

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  2. Das ist wunderbar. Besonders das Ende...

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  3. Weitergehen ist immer gut.

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  4. stark geschrieben. gut nachfühlbar.
    ich denke: männer!

    und ich denke: frauen! und rauf mir die haare darüber, wie leicht wir immer wieder zu glauben bereit sind.

    vielleicht, frau maybe, vielleicht gehts nach dem weitergehen leichter weiter? ich hoffe es!

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  5. Ich danke euch allen sehr. Und ja - Nach dem Weitergehen geht es weiter. (Leichter vielleicht auch irgendwann.)

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