just a run and a jump

Die Zeit scheint vor mir davonzulaufen. Mitunter flüstert mir das Tick-Tack des Sekundenzeigers zu: Es geht los. Es geht los. Du bist jung, aber wie lange noch? Es hat längst begonnen.

Verstehst du, ich liege im Bett, aber es hat längst begonnen, das Leben. Ich bin noch immer hier, und weiß nichts mit mir anzufangen; und die Möglichkeit schleicht sich ein, dass ich das vielleicht auch nie wissen werde. Wenn man noch zur Schule geht – das ist wie eine Schonfrist. Du weißt, das Leben hat noch nicht begonnen, nicht wirklich, und wenn es losgeht, wird es groß. Du wirst groß sein, und große Dinge tun, und dass diese großen Dinge in deiner Vorstellung nur vage und als formlose, wabernde Masse existieren, kümmert dich nicht. Hat dich nicht zu kümmern, denn du hast ja: Zeit.

Und diese Zeit, die du noch hast, umgibt dich wie eine schützende Hülle; sie tropft dir von den Ohren und quietscht in deinen Schuhen. Aber sie nimmt ab. Sie nimmt immer mehr ab, diese Schicht, und anfangs spürst du es nicht, aber irgendwann sitzt du da, und schaust an dir herunter, und die Schonfrist ist abgelaufen, der Schutzlack abgeblättert, verlaufen, zerronnen. Du bist im Morgen angekommen, und es ist längst zu deinem Jetzt geworden.

Nur, dass du nicht vergessen kannst, dass dieses Jetzt mal ein Morgen war; ein hoffnungsvoll aufgeladenes Morgen, ein hüpfendes, sprühendes, Glück verheißendes Später. Ein leuchtendes Und dann.

Und dann ist jetzt. Und dann ist hier, das hier bin ich, wo bist du?

taking chances with rabies

Manchmal wacht man auf und ist schön. Und manchmal vergisst man diese Schönheit schon nach Sekunden, wie den Traum, in dem man eben noch gefangen war; manchmal verfliegt diese Schönheit im Laufe des Tages. Und manchmal bleibt sie eine Weile haften.

Niemand schreibt über das Glück, weil das Glück nicht analysiert werden will. Es wehrt sich dagegen, sich zerpflücken zu lassen; auseinander gerupft und in allen Einzelheiten ausgebreitet zu werden. Ich bin dann nur noch halb so schön, sagt es trotzig, und darum lässt man es in Ruhe; man lässt es in sich ruhen, dieses Gefühl, und richtet den Blick nie direkt darauf, nur scheu und zärtlich, ab und zu.

Und man weiß, man müsste versuchen, für dunkle Tage vorzusorgen – sich zu wappnen, denn die dunklen Tage kommen wieder. Aber das Glück scheint so friedlich, und so ohne die geringste Anwandlung zu gehen. Vielleicht bleibt es länger, dieses Mal, denkt man sich.

Vielleicht bleibt es – den Geschmack der Worte auf den Lippen:

Für immer?

to paint a picture of a frown

Ich verliere an Halt. Eine Rauchschlaufe ringelt sich elegant unter dem Rollladen hindurch, aus dem Fenster. Mein Fuß trifft seinen Schatten an der Wand. Ich verliere verliere verliere an Halt.

Setze ich auf die falschen Pferde, oder
1.) sind es nicht vielmehr die Pferde, die auf mich setzen?
2.) sind sie vielleicht am Ende doch die richtigen?

Und doch stehe ich noch. Ich stehe, ich atme und spreche und lache, und nur in ruhigen Momenten, wenn mein Blick abschweift und sich an einem unbestimmten Punkt verfängt, nur dann denke ich diese Gedanken, diese trübsinnigen, mich selbst bemitleidenden Trauerfäden. Dann bin ich kurz für mich, und die ohnmächtige, unfassbare Wut versucht, Farbe anzunehmen; und sie scheitert, immer wieder. Und ich tauche wieder auf, und atme und lache und spreche, und nichts scheint mir erstrebsamer, als einfach vergessen zu können. Keine farblose Wut mehr, keine Worte, die mir in den Gedärmen wühlen, und keine stumme Fassungslosigkeit.