inside your ancient eyes

Die Sonne malt mir Schattenmuster an die Wand. 

Aufgewacht. Blinzelnd: Urlaubsstimmung, ungestüme Freude; ich bin wieder Kind, die Welt wieder Spielplatz, und alles will entdeckt, betrachtet, gekostet werden. Kaum hat mich der letzte Tropfen Duschwasser berührt, zieht es mich schon hin, zum Fenster, zur Sonne, und obwohl das Fenster einen Spalt breit offen steht, gewinnt die Wärme die Überhand; streichelnde, liebkosende Wärme, ganz anders als alles, was der Winter zu bieten hat. Heizung, Kamin; nichts ist deren Wärme gegen das hier. 

Diese Wärme macht nicht schläfrig. Diese Wärme macht leicht, und froh. 

Aber da ist diese ständige Hast, das Aufspringen, der Wunsch nach Verbesserung. Perfektion? Die Möglichkeiten. Der Moment ist gut, und schön, das sehe ich, aber die Gedanken ruhen sich nicht aus; ein Kaffee, vielleicht, könnte den Moment noch besser machen, oder das Gefühl frisch geputzter Zähne. Vielleicht lieber Tee, aber was, wenn die Sonne dann nicht mehr – ? Sollte man vielleicht besser – ?

Festhalten scheint so verlockend, Vervollkommnung so erstrebenswert. Wir wollen Momente auskosten, wollen so viel davon mitnehmen wie möglich. Etwas bekommen für die Zeit, die wir spenden. Wir wollen Momente zubereiten, wie man Mahlzeiten zubereitet; kleine Snacks für Zwischendurch, ab und zu ein Festmahl. Wir wollen in Erinnerungen schwelgen, und uns kleine Andenken auf der Zunge zergehen lassen.

Momente verlieren aber nicht an Wert, wenn man sie nicht für ein späteres Nachempfinden herrichtet. Der Moment verliert dann nicht an Wirklichkeit - er gewinnt daran. Natürlich will ich ab und zu nach Schönheit greifen; versuchen, dem Augenblick ein Bild zu entlocken, eine Blaupause, aber nie fängt man damit alles ein, nie kann das gelingen. Ein Bild zeigt nur einen winzigen Ausschnitt des großen Ganzen; das ist es, was wir vergessen. Was wir vergessen wollen, vielleicht.

Denn wenn die unglaublich romantische Skyline einer Stadt im Sonnenuntergang vom monotonen Rauschen der Autobahn untermalt wurde, dann verschweigt dir das ein Photo. Es verschweigt aber auch den Kuss, der auf das Knipsen folgte; es verschweigt das Kitzeln in der Magengrube, und die Wärme auf Haut, und im Blick eines Anderen.

Man braucht Momente, in denen man sich nicht nur unbeobachtet weiß, sondern auch selbst damit aufhört, sich zu beobachten. Man braucht Momente, in denen man nach nichts anderem strebt, als sie wahrzunehmen; nicht einmal danach, sie zu speichern. Bloß da sein. Ruhig sein. Ich für mich. Das ist die Formel, glaube ich; das ist der Schlüssel zum Selbstsein. Selbstständig, sich selbst bewusst. Alles andere ist Kontext, ist bloßer Rahmen, selbst gewählt. 

Mein Gesicht sucht die Sonne, wandert ihr entgegen. Die Sonne gibt mich mir zurück.

3 comments:

  1. Wunderschön.
    Darf ich ein Zitat aus deinem Text in die "Fundstücke"-Sammlung meines Blogs aufnehmen? Sie würde dann am 17.02. dort mit Link zu deiner Seite erscheinen.

    Viele Grüße und einen schönen, entspannten Sonntag.

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    1. Herzlichen Dank. Natuerlich darf zitiert werden - Freut mich :)

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  2. wunderbarer, wahrer, berührender text, der mich mir zurückgibt, ein wenig.

    danke!

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