pushing the needle to the red

Hin und wieder schaue ich von meinem Buch auf, wenn jemand vorbeiläuft; dann beuge ich den Nacken wieder und meine Haare fallen vorhanggleich meine Wange entlang, und ich mag das. Das seltsam gelb diffuse Licht, in das die quälend langsam geblätterten Seiten getaucht werden, mag ich auch, und ich friere kaum; nur dieses leise, andauernde Frösteln, an das man sich gewöhnen kann.

Als sie ihr Fahrrad neben meins stellt, verschiebt sich mein Zeit- und Realitätssinn für einen Wimpernschlag; die Zeit zu kurz, die Realität so fassbar, und in den Worten hatte ich sie mir anders aufbewahrt. - Das ist es doch, was man ständig versucht; man balsamiert und legt ein, behutsam, mit Fingerspitzengefühl, aber es ist nicht möglich, das Leben festzuhalten, ist einfach nicht möglich. Was wir festhalten ist die bloße Hülle davon. Die Puppe, vielleicht; der Schmetterling längst entflattert, und so auch sie.

Sie strahlt nicht, sie lächelt; die Chemie stimmt nicht sofort, der Traum, in dem ich ihre Hand hielt und ihr nah war, ist mir auf einmal peinlich, obwohl sie nichts davon weiß. Irgendwann sagt sie mein Freund, und ich verliere mich, bin nur noch Nebel im Kopf, antworte einsilbig, finde dann wieder zurück. Finde zurück und weiß, das war zu erwarten, das sollte nichts ändern; und zu meiner Überraschung wird auf einmal alles leichter.

Die Worte purzeln nicht mehr, verwischen einander nicht mehr, sind nicht länger gehemmt und scheu; ihre Klarstellung hat einiges in mir gelockert, und vielleicht ist es gut so. Zerschlagene Hoffnung heißt nicht nur Scherben, heißt auch Klarheit, bedeutet: Ich weiß wo du steht. Das ist wichtig, Offenheit und Klarheit sind wichtig; abgesteckte Grenzen, meinetwegen, und träumen darf man ja noch.

Träumen darf man.

2 comments:

  1. Das find ich gut.
    Aber ich finde auch, dass es einen Unterschied macht, wann aufgeklärt wird, wenn zwischenmenschliche Beziehungen auf Erwartungen oder Wünschen aufbauen. Da gibt es schon ein "zu spät" oder nicht?

    ReplyDelete
  2. bauen zwischenmenschliche beziehungen nicht immer auf erwartungen und wuenschen auf? - ich glaube, ueber das "zu spaet" kann man selbst entscheiden. und nur man selbst.

    ReplyDelete