picture me, standing on the rooftop

„Die Welt liegt dir zu Füßen“, sagte sie.

Und machte in ihrem Kopf vermutlich die geeignete, ausbreitende Handbewegung.

Liegt dir zu Füßen. Ach ja?

Es fühlt sich manchmal danach an, ja. Manchmal, wenn man sich von Übermut und Lebenslust fluten lässt, wenn man Kraft und Jugend als große Schlagworte in den Raum wirft und ihnen beim Wachsen zusieht.

Aber oft, viel zu oft fühlt es sich ganz und gar nicht danach an. Dann sehe ich eine überfüllte Welt, eine Welt, in der die Ignoranz regiert, die nur darauf wartet, mich zu zerquetschen; weder genüsslich noch schadenfroh, nur ganz beiläufig.

Ich sehe mich untergehen in einer Welt, die sich in Gläsern tausender Sonnenbrillen widerspiegelt, untergehen in einer Masse formloser Gesichter. Stumm und taub und blind sehe ich mich werden, und angepasst; gepresst werde ich in eine Form, unerbittlich, wenn ich bestehen will, bestehen in dieser Welt.

there is no strength in numbers

Ihre Lippen leicht aufeinander,
Hände gleiten über Kleidung,
unter Kleidung,
malen Schlangenlinien auf Haut;
zuerst in großen, dann in immer kleiner werdenden Bögen.
Münder öffnen sich weit, verschlingen einander.

Delete all messages? Yes.

Delete in Progress.
Delete in Progress.
Delete in Progress.

Complete.

Inbox: Empty.

a hazy sense of evidence

"Schau mal."

Ein kleines blondes Mädchen, entzückend kindlich, entzückend zart und spitzbübisch zugleich, mit hellen, wachen Augen, betrachtet staunend eine Ansammlung von Ameisen auf dem Trottoir, wie sie durcheinander wimmeln und doch zielstrebig, eine gewisse Ordnung bilden.

Dann stampft es mit dem Fuß in das Gewusel, nicht aggressiv, nicht boshaft, nur versuchsweise, beinahe vorsichtig. Aber mit Nachdruck. Da gerät die ältere Schwester außer Fassung.

"Nicht – tot – machen!"

Ebenso blond, ebenso wacher Blick, ein wenig größer; und sie besteht darauf. Hockt sich zum näheren Begutachten des Schadens auf den Weg.

"Es gibt doch genug", sagt die Kleinere, und tritt aus dem Gewusel heraus.

summer days drifting away

To the summer nights, die Musik hat sie voll aufgedreht,
wir brettern über die Autobahn.

Ihr Zimmer ist nur provisorisch hergerichtet, eine Matratze in der Ecke, ein paar alte Kommoden, der Schlüssel knarrt im Schloss, da liegt eine leicht angestaubte Bibel, ein orientalisch anmutendes Schmuckkästchen ohne Inhalt, ich luge vorsichtig hinein, schließe den Deckel dann enttäuscht wieder. Kitschige Engelsbildchen häufen sich, ich schiebe sie beiseite, greife nach dem Photoapparat im hintersten Eck. Klobig liegt er in der Hand, laut klicksurrend der Auslöser, es ist kein Film eingelegt, ich schieße trotzdem Photos; eins von den Regentropfen an der Fensterscheibe, eins von unserem Schlaflager auf dem Boden, der zurückgeschlagenen Bettdecke.

Eins vom nassen Rasengrün da draußen.

Die Tür geht auf, ich drücke den Auslöser; erschrocken zuckt sie zurück, reißt die Hände vors Gesicht. Ich lache über ihren verdutzten Gesichtsausdruck, kein Film drin, erkläre ich, lege die Kamera zurück, schweren Herzens, noch ein wenig Staub weggestreichelt.

Und ich hätte gern ein Photo von ihrem schiefen Lächeln gemacht, dieses schiefe Lächeln mit zusammengekniffenen Augen, wenn sie mich so anschaut, und dann muss ich lachen und ihre Mundwinkel kräuseln sich, noch mehr, noch ein bisschen mehr, bis ich schnell die Augen schließe, weil dieser Blick alles in mir kribbeln lässt.

Wie sie neben mir lag und alles an mir strebte zu ihr hin, aber ich traute mich nicht, traute mich partout nicht, sie zu berühren, obwohl die Nacht doch so intensiv, so zärtlich gewesen war. Erst nach einer Weile des stummen, blinzelnden, halbgelachten Nebeneinanderliegens endlich meine Hand in ihre gelegt, und da lag sie in einer Kuhle und wurde gestreichelt, sachte Bewegungen, fast schon zu viel.

Eigentlich zu wenig.

looking for the golden lie

Der Abend war ohnehin bereits gelaufen,
also tanzen, beobachten, ein bisschen sehnen,
so für mich.

Und dann, vielleicht für einen Moment in Gedanken versunken, plötzlich war sie da, dunkelkurze Haare, weite Jeans. Ein bisschen tanzen, scheu gelächelt, Gedankenrasen im Kopf, und dann greift sie nach meiner Hand und fragt, Rauchen? Ich nicke, sie vergewissert sich, ich denkedenke im Kreis, immer im Kreis, und rauchen führt zu küssen führt zu küssen und, weißt du, das will ich jetzt.

Nutz’ mich aus, ich bin wie benommen, ihre Freundinnen verfolgen uns, belauern uns, ich erzähle ein bisschen und sie fragt, ob es nur Spaß ist, für mich. Ja, denke ich, ja, und schüttle den Kopf. Ihre großen, braunen Augen rühren etwas in mir an, und wie sie lächelt, und wie sie meine Hand nimmt, so vorsichtig, und sie lacht und scherzt mit allen, kennt alle, aber dann stehen wir draußen und ich drücke langsam den Zigarettenstummel aus, und sie schaut mich so an. Fragend. Willst du?, Willst du das?, fragen ihre Augen; ich lächle bloß und mein Blick flattert, ohne, dass ich es verhindern kann. Irgendwann, wieder verpasse ich den entscheidenden Moment, sind ihre Lippen auf meinen und es ist alles gut und vertraut.

Und warm.

Eine von ihnen bringt mich zum Lachen, ich fahre, sagt sie, und schneidet eine Grimasse, lehnt am Tisch und trinkt Cola und schaut belustigt zu, wie wir zu einem dieser Lieder tanzen, deren Refrain jeder mitgrölen kann. Dann küsst D. mich wieder, und ich spüre kaum so etwas wie Irritation oder Scham, weil mir jeder zusehen kann, vielmehr wachsende Selbstsicherheit, und dieser Wechsel aus Tanzen und Unterhalten und Lachen löst ein summendes Wohlgefühl in mir aus. Wie spät ist es, fragt sie, wieso musst du bald gehen. Ich lege einen Finger an ihre Lippen. Shh.

Will you release me, fragt der Sänger, with a kiss, frage ich, das Wort geht fließend in seine Bedeutung über; mehr Tanzen, mehr Küssen. Meine Lippen ganz dicht vor ihren, ganz nah, ich flüstere die Worte, and I touched your face, ganz nah, halb Kuss, halb Explosion, and I called your name, und ich frage mich, weiß sie überhaupt noch, wie ich heiße, und warum ist das auf einmal wichtig; das durchzuckt mich, dann Abschied, ich gehe, sage ich, und ihren Blick halte ich nicht aus, also schnell weg, schnell weg.

Mit heller Freude im Bauch; jeder Meter Entfernung lässt mich ein wenig mehr begreifen, was passiert ist, und ich muss das Strahlen in meinem Gesicht herunterdimmen, die Freundinnen schauen schon so wissend. Erzähl', rufen ihre Blicke.

Bestimmt werde ich rot.