Ich warte darauf, dass die Gefühle aus mir herausbrechen, mich übermannen, vom Bauch in den Kopf oder sofort in die Finger fließen, und aufs Papier, aber es passiert nicht. Stumm pulsiert es in mir, stumm und beharrlich kratzt der Schmerz an meinem Selbstbild, kratzt Streifen, bis von meinem Ego nicht mehr als ein kleiner Haufen übrig ist. Klein und nackt, und armselig sich zu bedecken versuchend.
Als der Wein beginnt, seine Wirkung zu tun, spüre ich, wie ich mir langsam entgleite. Mein Spiegelbild schneidet mir Fratzen und macht ohne mich weiter; so fühlt es sich an. Ich lache klirrend, meine Gesten werden fahrig, mein Schritt gewagt. Ich will gefährlich sein, bedrohlich gar, und sinnlich, und auf einmal bin ich das alles, während der Zeiger unbemerkt seine Kreise zieht und die Gläser sich leeren und füllen wie von Zauberhand.
Der Poet macht eine Bemerkung, und ich blitze ihn an, und später schiebe ich mein Fahrrad neben ihm her und höre mich sagen, dass er es doch bitte aussprechen soll, was auch immer es ist. Und er spricht es aus, und ich bin auf einmal wieder da, kleinlaut, sprachlos. Paralyse. Er sagt, lass' uns die letzte Minute vergessen, und ich nicke; wir wissen beide, dass man Gesagtes nicht zurückpfeifen kann, und trotzdem trinken wir.
Und dann tanzen, und eng und vertraut, jemand drückt mir ein Bier in die Hand; jemand brüllt mir Wortfetzen ins Ohr. Ich hatte N. ganz vergessen, und auf einmal entdecke ich sie in der Menge, und wieder zieht es mich hin zu ihr. Es zieht mich, und ich ziehe S. mit, und ich denke, Verdammt, ihre Augen sprechen. Und was sie sagen hört niemand, das höre nur ich, und ich kann diesen Blicken nicht trauen. Ich traue mich nicht, mir nicht, der Welt.
Ihre Augen sagen: Komm' her und: Ich mag dich, sehr sogar, aber ihre Hände greifen nicht nach mir, und ihr Körper schmiegt sich nicht an meinen.
Dieses Tanzen in ihrer Nähe, nur, um von ihr gesehen zu werden. - Dafür bin ich nicht hergekommen, dafür will ich nicht hergekommen sein; ich bahne mir einen Weg durch die Menge. Ich stehle jemandem die Mütze, atemlos, und dann tanze ich, um zu tanzen. Als ich wieder nach N. sehen will, steht sie in enger Umarmung mit einem weißen T-Shirt. Nein, hämmert es in meinem Kopf, Nein, Nein; und dann starre ich sie eine Weile an, ohnmächtig-provokant, abwartend, aber sie hebt den Blick nicht.
Und als die beiden miteinander verschmelzen, fliehe ich in die Kälte.
swinging with the old stars
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Dafür, dass du nichts spürst, schreibst du sehr poetisch. Ist es nicht so, dass wir uns unsere Ängste immer wieder selbst bestätigen wollen? Da ist etwas, das so dringend geliebt sein will und da ist etwas, das genau das zu verhindern weiß.
ReplyDeleteEin anderer wäre auf N. zugegangen, hätte frech gegrinst, hätte sie über die Haare gestreichelt und ihr fordernd in die Augen geschaut: Berühr mich!
Und wieder ist es die Angst, die zwischen uns steht, uns nicht die sein lässt, die wir sein wollen.
Ist es nicht so. Oder ähnlich?
Vermutlich, ja.
ReplyDeleteDie Angst als ewige Feindin, als ewiger Stein im Weg. Vielleicht wartet man auf den Moment, in dem alle Enttaeuschung hochkocht und sich zur Wut zusammenballt. Wut, im Sinne von Kraft, und Mut; im Sinne von: Keine Angst mehr. Aber existiert dieser Moment ueberhaupt? Was, wenn nicht?
ich habe jetzt innerhalb weniger tage deinen ganzen blog durchgelesen, und wenn du schreibst tauche ich vollkommen mit in die situationen ein; und ich wünschte, ich könnte mit dir eine zigarette rauchen und den nachthimmel beobachten xxx
ReplyDeleteHmm...Könnte man nicht auch sagen:Angst die ewige Freundin, die einen anstachelt,sie endlich zu überwinden, über sich hinaus zu wachsen.
ReplyDeleteIch weiß, an manchem Tagen sieht es anders aus..
lia marie - xxx
ReplyDeleteMeer-Marie - Freund und Feind ist nicht immer auseinander zu halten. In dem Fall sind die Fronten fuer mich aber geklaert. Angst zum Freund? Vielleicht, in weiter Ferne.