crumble to the sea

Sterben?, sagt sie. So bald wie möglich.

Mein Blick verengt sich. Sie steht da, ans Fenster gelehnt, eine Dose Bier in der Hand, und schaut vage ins Nichts.

"Warum tust du es dann nicht einfach."

Sie schaut auf, fragend, verwirrt; die Härte in meiner Stimme hat sie verletzt. Ihr Blick tastet mich ab.

"Ich will einen friedlichen Tod", sagt sie dann. "Deshalb."

"Dann nimm Tabletten", sage ich, "warum nimmst du nicht einfach Tabletten und bringst es hinter dich, verdammt."

Sie schaut mich still an. 

"Weil ich feige bin."

Den letzten Schluck kippe ich mir auf die Zunge, dann wird die Dose zerquetscht, und landet leise klappernd im Hinterhof.

Ich verstehe das irgendwie, sagt jemand, der dabei steht, und ich muss mir den Mist nicht anhören, muss mir keine Diskussion darüber anhören, wie lebenswert das Leben denn nun wirklich ist, und überhaupt, sind wir nicht alle ein bisschen suizidgefährdet. Hatten wir diese Gedanken nicht alle schon mal, Nein, sage ich laut, ich verstehe das nicht.

Alles sieht anders aus, im Nachhinein. Die Zigaretten, die wir zusammen geraucht haben; all die Abende, an denen sie mehr trank, als gut für sie gewesen wäre; alles. Alles entwertet, alles zu einem Zweck, der nichts mit Leben zu tun hat; ich bin betrogen worden, hintergangen, vorgeführt. Ich will sie kratzen und beißen und sie anschreien, will ihr ins Gesicht schlagen, mit voller Wucht, damit sie etwas spürt, damit sie lebt, und leben will. Ich kralle aber nur die Finger in meine Jeans, und sitze wie gelähmt.

Erst nach einer Weile löst sich meine Starre. Das Thema ist noch immer dasselbe, ich höre nicht hin, ich greife sie mir, greife ihre Hand und ziehe sie hinter mir her, die Treppen entlang, durchs Gartentor, auf die Straße. Und dann presse ich meine Lippen auf ihre, bis sie den Kuss erwidert, bis sie aufgibt, ihren Kopf in meiner Halsbeuge vergräbt und zu weinen beginnt. N. ist uns gefolgt, steht lässig rauchend ein paar Meter entfernt und verschmilzt zur Hälfte mit der Dunkelheit. Unsere Blicke kreuzen sich über ihren Kopf hinweg. Ich streiche sanft ihren Rücken. Wir taxieren einander.

"Wenn du denkst, du hilfst ihr damit, hast du dich getäuscht", sagt er. 

"Hau ab", sagt S., und klammert sich an mich. Eine Weile steht er noch da und schaut, dann wirft er mir einen letzten Blick zu, dreht sich um und geht.

2 comments:

  1. aus eigener erfahrung (mit einem suizidbegangen habenden partner) weiss ich, dass es hier nicht um vorführung und hintergehen geht, sondern um mehr. um nicht-leben-können. das ist tiefer und kann letztlich nicht von der liebsten geliebten person aufgelöst werden - nur in ihm oder ihr selbst. wenn da nichts gelöst wird, hilft alle liebe nichts. leider.

    (ich finde diesen text ausgesprochen stark in jeder hinsicht und hoffe, dass es eine lösung gibt ... ja.)

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  2. Mh, ich kann verstehen, wieso du dich betrogen fühltest .. Und für den folgenden Satz jetzt hasse ich mich beinah ein wenig, aber: N. hat Recht ..

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