Bin ich also wieder dem vertrauten Sog
verfallen, dem Strudel der Gefühle; dem Möglichen in die Arme
gesunken. Ohne den geringsten Widerstand hat es mich hinweg gerissen;
oh, nein, ich habe mich nicht gewehrt, ich habe genussvoll die Augen
geschlossen. Mit aller Macht habe ich mich hingegeben, mich verloren
gegeben, und alles, was es brauchte, war ein flüchtiger Seitenblick.
Dieses Mal ist es anders, beteuerte ich
M. gegenüber, die große Augen machte. Es ist anders; ich
konnte das nicht erklären, in meiner Magengrube brannte die
Gewissheit. Sie war so und so, und nein, ich kannte ihren Namen
nicht, aber sie hatte so-und-so gelächelt, und ich hatte gar nicht
damit gerechnet, aber auf einmal hatte sie da gesessen, und mir
schoss das Blut in die Fingerspitzen, aber ich blieb ganz ruhig und
gelassen, äußerlich, und fing nur ihren Seitenblick auf.
Und dieser Blick war es, die Art, wie
sie mich ansah, die mich später gedankenversunken am Küchentisch
sitzen ließ, die mich diese Szene wieder und wieder durchspielen und
zu dem Schluss kommen ließ, der mich ein paar Tage lang auf Wolken
trug. Mir fiel auf, dass mein Bett groß genug ist für Zwei. Alles
fühlte sich anders an; als habe jemand eine Decke von Wohlgefallen
über mich gebreitet, die mich auf Schritt und Tritt wärmend umfing.
Es fühlte sich anders an, nachts im Treppenhaus nach dem
Lichtschalter zu tasten. Es fühlte sich anders an, in den Spiegel zu
schauen. Es fühlte sich anders an, ein einfaches Käsebrot zu essen;
mit M. zu sprechen, mit sonst jemandem, und überhaupt.
Und dann sieht man die Person, die in
den ureigenen Tagträumen schon verliebte Dinge gesagt und Kaffee ans
Bett bekommen hat, wieder. Einmal, da reagiert sie kaum, jedenfalls
nicht sichtbar, und man denkt sich, dass es nicht sein kann, und man
hofft weiterhin. Und dann erscheint sie nicht, wo man sie erhofft
hatte, und die Hoffnung kreischt, und der gesunde Menschenverstand
hält ihr den Mund zu. Und dann läuft sie ganz selbstverständlich
irgendwo durch die Stadt, und du weißt, sie hat dich gesehen. Aber
du weißt auch: Da war keine Wärme. Da war kein explosionsartiges
Etwas, das uns eine gemeinsame Zukunft verheißen würde; kein
Blitzen in ihren Augen, kein Feuerwerk in meinem Bauch. Kein
Garnichts.
Langsam, ganz langsam beginnt man dann,
sich wieder mit dem trüben Gedanken anzufreunden, das Leben
weiterhin so zu bestreiten, wie man es zuvor getan hat. Ohne die
schützende Wärme, ohne den erfüllenden Glücksgedanken, jemandem
besonders zu sein. Alles wehrt sich dagegen, die Illusion beiseite zu
schieben; den Moment zu streichen, mit dem alles begann. Aber da
war doch... Und es kribbelt leise, es kribbelt verhalten; das
Potential ist da, vielleicht gebe ich dieses Mal einfach nicht auf.
Vielleicht war alles falsch interpretiert, und ich kann sie trotzdem
dazu bringen, mich zu sehen.
Aber wenn dieser Moment nicht das war,
wofür ich ihn gehalten habe; macht es dann überhaupt Sinn, sich
daran festzuklammern?
Und leise flüstert es, noch immer:
Vielleicht ja doch.