in love with a dying man

Ich glaube langsam, nur Frauen können so küssen.
Oder vielleicht kann ich nur bei Frauen so empfinden.

Es war ein Rausch, ein Strudel aus Lichtern. Ringsum warfen sich die Menschen einander in die Arme, und irgendwo brannten knatternde, pfeifende Raketen Löcher in die nassklamme Luft. Ich hatte ihr spontan einen Kuss mitten auf den Mund gedrückt, und sie hatte getaumelt und gelächelt, und dann hatten wir uns allesamt umarmt.

Ich hatte N. gesehen, in einem flüchtigen Moment, einen oder zwei Meter entfernt von mir; beinahe hätte ich die Hand nach ihr ausgestreckt. Habe ich gerufen? Dann war sie weg, von der Menge verschluckt, von der Menge und dem allgemeinen Gekreische und Gerufe. Sie war weg, und es war Zwölf, das neue Jahr brach an, und ich würde es nicht ohne mich beginnen lassen.

Also das Leben beim Schopf gepackt, das Mädchen an der Hand, es auf den Mund geküsst. Und später noch mal, und länger, und sich verloren im Kuss. Verloren gegangen am Kuss selbst, um des Kusses Willen.

Das Mädchen war ohnehin längst zu einer anderen geworden; sie war nicht mehr die, die vorhin in der Küche gelacht und geredet und Punsch getrunken hatte. Sie war die Hübsche aus meinem Kurs, die mit dem schönen Mund. Sie war ein bisschen N. und ein bisschen Katze, ein bisschen von jeder, und ich wusste, dass auch ich für sie zu einer anderen wurde, für den Moment.

Für diese Nacht.

4 comments:

  1. Ich liebe deine Beiträge, großartig. Sie haben die Eigenschaft, zu verzaubern... LG, Meike

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  2. Öfter mal das Leben küssen, am besten mitten auf den Mund, wie recht du doch hast!

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  3. Ich freue mich immer wieder über Ihr Profilfoto. Dieses Hybrid aus Haaren und Arterien.

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